Brief von Hans Riegler an Heinrich Hucke zu Fragen der Bewertung/Prämierung von gescheckten Farbengesangskanarien.

 

Hallo Heinrich,

 

zum Problem Schecken habe ich in einigen Punkten noch die gleichen Unklarheiten wie Du.

Das betrifft, wie schon einmal geschrieben, die Einordnung in einen Schauklassenschlüssel, aber auch die Frage, wie der Preisrichter die Bewertung auf unserem Bewertungsbogen einträgt.

 

Konkret frage ich mich wie Du auch, wie er die Punkte für Lipochrom und Melanin verteilt, bei Schecken mit Mosaikfaktor (Harlekin?) kommt ja dann noch die Spalte Kategorie hinzu.

Was das angeht, verlasse ich mich erstmal auf Klaus Bröse, wobei der bestimmt aus seiner Erfahrung mit der Bewertung von Schecken von früher her, aber auch durch die Bewertung von bestimmten Positurrassen, bei denen auch heute noch Scheckungen zugelassen sind, weiß, was er tut.

 

Generell haben wir uns im Vorfeld aber schon ziemlich eingehend mit der Zulassung von Schecken befaßt und uns aus verschiedenen Gründen eindeutig dafür ausgesprochen.

 

Mit "wir" meine ich außer Klaus Bröse auch Willi Böhm und Franz Holy aus Österreich, mit denen ich am Anfang ebenfalls alles noch abgesprochen habe.

 

Ausklammern können wir erstmal die Klassen I und II, weil es da eindeutig um die Melanin- oder Lipochromvögel als Zielstellung geht und die dort tolerierten kleinen Fehler im Kleingefieder nichts mit dem Thema der eigentlichen Schecken in den  Klassen III und IV zu tun haben.

 

Zum einen waren alle für die Schecken, weil sie nun einmal in den Gesangszuchten noch stark verbreitet und -wie Du auch schreibst- schöne und bei reinen Liebhabern begehrte Vögel sind. 

Schließlich züchten wir doch eher für Liebhaber, als zum Beispiel für Ziele der COM.

 

Dabei ist es kein Zuchtziel, was ja auch nicht geht. Ich selbst habe, bevor wir jetzt von Farben-Gesangskanarien sprechen, über mehr als zwei Jahrzehnte nie die ganz hellen oder ganz dunklen Vögel angestrebt, weil mir eben braungelbe oder blauweiße Schecken immer besser gefallen haben, als der reine dunkle Braun- oder der Schiefervogel. Entsprechend habe ich immer die etwas helleren mit den dunkleren Vögeln verpaart und umgekehrt und diese Freiheit können wir den Liebhabern von Schecken doch auch künftig lassen.

Interessant für mich war in diesem Zusammenhang auch ein Artikel im Vogelfreund, der für die Zulassung von Schecken bei der DH plädiert hat und die Harlekin sind ja nicht viel was anderes. Daß diese noch nicht zugelassen sind, liegt wahrscheinlich nur an der Haltung der COM, die für uns nicht bindend ist.

Der zweite nicht unwesentliche Grund für die Zulassung von Schecken war für uns übereinstimmend, daß er den Einstieg in die Farben-Gesangszucht noch entscheidender erleichtert, als die Tolerierung der kleinen Fehler in den Schauklassen I und II, der ja nur das Kleingefieder betrifft.

 

Jeder, der sich schon mit unserer Zuchtrichtung befaßt hat und zwangsläufig immer wieder reine Gesangsvögel anpaaren muß, hat mit Schecken zu tun, auch wenn er von seiner Neigung her eigentlich Lipochrom- oder Melaninvögel anstrebt.

Aus Schecken kann man aber beides machen und unsere Regelung schließt die Züchter mit solchen Ambitionen nicht jahrelang vom Ausstellugswesen aus.

Manfred Gebauer hat z.B. eine Vorliebe für ganz grüne und für den ganz dunklen Schiefervogel und hat von mir schon relativ dunkle Schiefervögel bekommen. Trotz seiner jetzt schon jahrelangen Bemühungen hatte er aber noch nie einen Vogel ohne helle Schwanzfedern und dabei auch ein bißchen Pech. Er hätte also noch nie Schiefervögel als Farben-Gesangskanarien ausstellen können und so würden viele Züchter resignieren, wenn man Schecken nicht zuläßt. Bei unserer Regelung können solche Vögel -auch wenn der Züchter auf reine Melaninvögel hinarbeitet- schon als Melaninschecken ausgestellt werden und der Züchter ist nicht für Jahre vom Ausstellungswesen ausgeschlossen.

 

In dem Punkt hat sich Klaus Bröse als sehr praktisch denkender Mensch erwiesen, indem er nur die Lipochrom- und Melaninschecken in den zwei Klassen vorgeschlagen und ansonsten keine weiteren Anforderungen formuliert hat. ( der Satz zur Symmetrie soll nur etwas sichern, daß nicht unbedingt Vögel ausgestellt werden, die gänzlich einseitig gezeichnet sind.)

 

Franz Holy hatte mir ein Poster mit neun verschiedenen Abbildungen geschickt, wo z.B. für Zügelschecken, Sattelschecken, Mücken (mit Stirn- u.Kehlfleck) u.a. jeweils hohe und unter unseren Bedingungen kaum erfüllbare Anforderungen gestellt wurden. Im alten VKSK-Standard waren unter Punkt 4 "Zeichnung und Scheckung" auch noch mehr Varianten aufgeführt, wobei die 1:1 Schecken eine Variante waren.

Das ist nach meiner Meinung in unserem Standard sehr praxisnah gelöst. Lassen wir uns von den Bewertungen bzw. Eintragungen einfach mal überraschen. Daß es noch Diskussionen von Scheckengegnern geben wird, ist gut möglich.

F.Holy hat mir z.B. gesagt, daß ein Prr. in Österreich und guter Freund von ihm die Bewertung von Schecken verweigern würde.

 

 

Soviel für heute, viele Grüße Hans 

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------   

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

 

 

 

Vererbung des Mosaikmerkmals bei Kanarien

 

Beobachtungen und Überlegungen (aus Vogelfreund 4/2003 Seite 20)

 

von Hans Riegler, Gotha

 

Angeregt durch den Artikel von Dr. Claßen im Vogelfreund 7/02 zu Mosaikkanarien und den nicht unterzeichneten „Fragen an den Autor“ dazu in VF 09/02 möchte ich meine eigenen Beobachtungen und Überlegungen zu diesem Thema darlegen.

Vorausschicken will ich, dass ich kein Mosaikzüchter bin. Meine Erfahrungen mit Mosaikkanarien beruhen darauf, dass ich vor zwei Jahren damit begonnen habe, den Mosaikfaktor in meine Gesangskanarienzucht zu übernehmen. Gerade dadurch habe ich jedoch eigenen Beobachtungen zu Ergebnissen bei der Verpaarung von normalfarbigen Kanarien mit Mosaikkanarien machen können.

Offensichtlich hatte ich mich unzureichend informiert und bin deshalb davon ausgegangen, dass das Mosaikmerkmal ganz normal geschlechtsgebunden vererbt wird.

Mit der Einkreuzung eines Mosaikhahnes im ersten Jahr und der Anpaarung seiner Nachkommen an meine Gesangskanarien im Folgejahr schien sich das zunächst auch zu bestätigen. In diesem dritten Zuchtjahr stimmten nun die bei geschlechtsgebundener Vererbung zu erwartenden Resultate in zweifacher Hinsicht nicht mehr mit den tatsächlichen Ergebnissen überein.

Zum einen habe ich aus der Verpaarung eines „spalterbigen“ Hahnes mit Gesangsweibchen keine Mosaikweibchen erhalten und zum anderen sind aus der Verpaarung eines Gesangshahnes mit einem von mir gezogenen Mosaikweibchen auch Mosaikweibchen gefallen.

Somit kann ich also aus eigener Praxis bestätigen, dass bei der Mosaikeigenschaft nicht die übliche geschlechtsgebundene Vererbung vorliegt.

Andererseits sind die veröffentlichten und nun auch von mir selbst beobachteten Verpaarungsergebnisse zwischen normalfarbigen und Mosaikkanarien nach meinem Verständnis nicht damit erklärbar, dass die dafür zuständigen Gene ausschließlich in den Autosomen liegen. Dagegen spricht insbesondere, dass aus solchen Verpaarungen offensichtlich zunächst nur Weibchen in Mosaik fallen.

 

Diese Fakten sind wohl auch der Grund für die Irritationen und die von Dr. Claßen angeführten „verwegenen Theorien“ in Züchterkreisen.

 

Hier nun mein Versuch einer Erklärung

 

Tierzüchter wissen, dass gerade bei der Vererbung der Farben unserer Haustiere häufig mehrere Gene beteiligt sind, die sich zum Beispiel gegenseitig unterdrücken oder auch im gleichen Sinne wirken können. Ebenso gibt es die Möglichkeit des Zusammenwirkens von zwei sogenannten unselbständigen dominanten Genen von denen jedes Gen für sich allein keine sichtbare Merkmalsprägung hervorruft.  Diese Wirkungsweise wird in der Genetik als Übergangsform zur gleichgesinnten Genwirkung betrachtet und als Komplementärwirkung bezeichnet.

Hier stellt sich nun die These zur Diskussion, dass es sich bei der Mosaikeigenschaft um eine solche Komplementärwirkung handelt, wobei ein dafür zuständiges Gen  in den Geschlechtschromosomen und das zweite in den Autosomen liegen muss.

 

Wenn man diese beiden Gene als M1 und M2 bezeichnet, wären aus meinen Überlegungen folgende Genotypen und Verpaarungsergebnisse abzuleiten:

 

1. Mosaikkanarien haben im männlichen Geschlecht den Genotyp xM1xM1 M2M2. Dabei steht jedem    M1-Gen ein M2-Gen  zur Ausprägung des Mosaikmerkmals gegenüber.

Mosaikweibchen haben dann den Genotyp xM1y M2M2, so dass hier ein M1-Gen und zwei M2-Gene vorhanden sind. Dieser Umstand könnte die Erklärung für die unterschiedliche Merkmalsausprägung unserer Mosaikkanarien vom Typ 1 und Typ 2 sein. Normalfarbige Kanarien hätten demzufolge im männlichen Geschlecht den Genotyp xM1xM1 m2m2, während für Weibchen xM1y m2m2 zu schreiben ist. Das kleine m zeigt dabei an, dass das Gen M2 für die Merkmalsausprägung Mosaik fehlt.

 

2. Aus der von mir im Jahr 2000 praktizierten Verpaarung eines Mosaikhahnes

(xM1xM1 M2M2) mit normalfarbigen Weibchen (xM1y  m2m2) waren demzufolge

- Hähne vom Genotyp xM1xM1  M2m2 und

- Mosaikweibchen vom Genotyp xM1y M2m2 zu erwarten. Es fällt auf, dass bei den Hähnen zwei Gene M1 nur einem Gen M2 gegenüberstehen. Das sollte die Erklärung dafür sein, dass bei solchen Hähnen das Mosaikmerkmal im Ansatz zwar deutlich zu erkennen, aber nicht voll ausgeprägt ist.  Deutlich als Mosaik zu bezeichnen sind dagegen die Weibchen, bei denen je ein M1-Gen und M2-Gen  die Merkmalsprägung ermöglichen. Auffallend ist jedoch,dass diese Weibchen gegenüber den Mosaik Typ 1  mit nur einem M1-Gen und zwei M2-Genen zuviel Fettfarbe zeigen. Daraus ist abzuleiten, dass M2 stärker als M1 in Richtung Aufhellung zu Mosaik wirkt.

 

3. Die dann vom nächsten Jahr an von mir vorgenommene Verpaarung der aus Gesangsweibchen stammenden Hähne (xM1xM1  M2m2) mit normalfarbigen Gesangsweibchen (xM1y  m2m2) lassen folgende Genotypen erwarten:

- Hähne vom Genotyp xM1xM1  M2m2  mit dem erkennbaren Ansatz für Mosaik

- Hähne vom Genotyp  xM1xM1  m2m2, die völlig normalfarbig sind,

- Weibchen vom Genotyp xM1y   M2m2 in Mosaikausfärbung und

- Weibchen vom Genotyp xM1y  m2m2 mit normaler Färbung.

Das ich aus einer solchen Verpaarung in diesem Jahr keine Mosaikweibchen erhalten habe, dürfte darin begründet sein, dass ich in der Annahme der ganz normalen geschlechtsgebundenen Vererbung ohne Beachtung des Phänotyps statt eines Hahnes vom Genotyp xM1xM1 M2m2 einen Hahn  xM1xM1  m2m2 eingesetzt habe.

 

4. Aus der parallel zu Punkt 3 erfolgten Verpaarung von normalen Gesangshähnen (xM1xM1 m2m2)  und den von mir gezogenen Mosaikweibchen (xM1y  M2m2) fallen exakt die Vögel wie unter Punkt 3 aufgeführt.

Wie bereits geschildert, habe ich aus einer solchen Verpaarung in diesem Jahr Mosaikweibchen erhalten, die wieder den Genotyp xM1y  M2m2 haben müssen.

Bei der unterstellten Komplementärwirkung zweier Gene  müssten aus der von mir selbst noch nicht vorgenommenen Verpaarung von reinen Mosaikweibchen  vom Typ 1 (xM1y M2M2) mit normalfarbigen Hähnen (xM1xM1 m2m2) die weiblichen Nachkommen  ausschließlich als Mosaik vom Genotyp xM1y  M2m2 fallen, wie das in der Tabelle von Dr. Claßen  in Vogelfreund 7/02 auch dargestellt ist und was mir ein Züchter unseres Vereins  aus seiner Erfahrung bestätigt hat.

 

Darauf hinweisen möchte ich noch, dass auch der Ausfall vom M1 denkbar ist. Auf diese Weise wäre zum Beispiel erklärbar, dass es bereits Mosaikhähne mit der phänotypischen Ausprägung des Mosaikmerkmals  im Typ 1 unserer Mosaikweibchen geben soll. Ein solcher Hahn müsste dann den Genotyp  xM1xm1 M2M2  haben, M1 und M2 also im gleichen Verhältnis wie unsere Mosaikweibchen vom Typ 1.

 

Insgesamt sind mit der hier unterstellten Beteiligung und dem Zusammenwirken zweier Gene alle mir bisher bekannten Verpaarungsergebnisse mit Mosaikkanarien verblüffend einfach zu erklären und zwar ohne den in der Literatur immer wieder bemühten Hinweis darauf, dass auf irgendeine noch nicht geklärte Weise Hormone eine Rolle spielen müssten. Ob nun das Gen M1 direkt in den Geschlechtschromosomen liegt oder eventuell nur ein für M1 zuständiger „Aktivator“ und in welcher Weise genau die beiden von mir als M1 und M2 bezeichneten Gene zusammenwirken, ist eine Frage für die Wissenschaft.

 

Vorstellbar wäre ja auch, dass das an das x-Chromosom gebundene Gen M1 generell für die Ausprägung der Fettfarbe zuständig ist und das M2 die volle Ausfärbung unterdrückt bzw. in Richtung Mosaik beeinflusst.

 

An den Erbgängen nach den vorgeschlagenen Formeln für die verschiedenen Genotypen würde sich bei Unterdrückung von M1 durch M2 jedoch nichts ändern.

 

Für die züchterische Praxis wäre zunächst wichtig, ob sich die von mir gemachten Ausführungen mit den Beobachtungen anderer Züchter vereinbaren lassen, wobei zielgerichtete Kontrollverpaarungen durchgeführt werden sollten.

 

Mein kleiner Zuchtweibchenbestand und mein Verständnis als Gesangszüchter lassen diese in meiner Zucht nicht zu.

 

Auf dem Weg zu Mosaikgesangskanarien werde ich allerdings weiter alle Verpaarungen wie hier dargelegt vornehmen, um so nach 5 Generationen knapp 97 % bzw. nach 6 Generationen fast 98,5 % Genanteil Gesang gekoppelt mit der Mosaikeigenschaft zu erreichen. Im letzten Schritt sind dann nur noch die Hähne des Genotyps xM1xM1 M2m2 mit den Weibchen xM1y M2m2 zu verpaaren, um schließlich Mosaikhähne vom Typ 2 (xM1xM1 M2M2) und Mosaikweibchen vom Typ 1 (xM1x M2M2) als Gesangskanarien vorstellen zu können.

 

 

Was die Herkunft der Gene für das Merkmal Mosaik betrifft, so sehe ich unter dem angenommenen Aspekt des Zusammenwirkens von zwei Genen keinen Grund, der gegen die Herkunft des einen Gens vom Kanariengirlitz und die Herkunft des zweiten vom Kapuzenzeisig spricht.